Wir haben ja bereits ein, zwei Artikel von Chris Hill übersetzt und veröffentlicht. Doch dieser Artikel spricht uns sehr aus dem Herzen. Er dreht sich um einen Kollegen aus seinem Küchenteam, der seinen Job ganz ohne Ruhm und Anerkennung gemacht hat. Sein Tellerwäscher. Jetzt zollt er seinem ehemaligen Tellerwäscher Respekt und ich glaube der Brief spricht uns allen aus der Seele, die ihren Tellerwäschern, die oft von weit her kommen, mal danken wollen.

Seine Station

Er kommt herein, legt sich die Schürze über den Hals und bindet sie sich an seine Hüfte. Ganz eng an seinen Körper. Er wird härter arbeiten, als jeder andere im Restaurant. Das meiste davon bleibt unbeachtet. Vor der Abspüle stapeln sich schon am frühen Nachmittag Geschirr von den Vorbereitungen für den heutigen Abend. Es ist Montag und nach einem stressigen Wochenende ist es am Montag nicht wirklich einfacher.

Fleißig arbeitet die Vorbereitungsküche schon seit Stunden. So ist das halt an Montagen. Schmutzige Schneidebretter, Schüsseln beschmutzt mit verschiedenen Saucen und benützte Backbleche stapeln sich bereits hoch vor Margaros Station – dem Geschirrspüler.

Das wurde alles schon erledigt, bevor irgendwer im Restaurant nur ansatzweise etwas gegessen hat. Er kam um 4 Uhr rein und wusste, was ihn erwartet. Das war seine Job und er hat sie mit Tapferkeit und Würde absolviert. Er hat niemals die Wichtigkeit seines Jobs in Frage gestellt. Ja, als Tellerwäscher braucht man nicht unendlich viel Fachwissen. Man braucht aber Geduld und extrem viel Stärke, wenn Teller nach Teller aus dem Restaurant in die Küche rollt.

Er kratzt und spritzt die Teller ab, schiebt sie in die Maschine und wiederholt das unzählige Male. Margaro stellt sicher, dass alles 100% sauber ist. Er trocknet die restlichen Wassertropfen ab und verstaut die Teller an ihrem Platz. Endlich kann sich Margaro auch dem Küchengeschirr widmen, das noch nicht gesäubert wurde. Er schnappt sich einen Saucentopf, welcher für die Zubereitung der Rinderbrühe benützt wurde. Danach reinigt er diesen gewissenhaft mit Stahlwolle, platziert ihn umgekehrt in der Maschine, presst den Startknopf und geht. Er wischt seine dreckigen Hände an dem Geschirrtuch, welches an seiner Taille hängt ab.

Einen Atemzug Frischluft

Danach macht er sich auf den Weg zur Rückseite des Restaurants und holt eine halb angefangene Zigarette aus seiner Tasche. In der Küche ist Margaro in seiner eigenen Welt. Er kommuniziert effizient und nur dann, wenn es nötig ist. In den Pausen genießt er er eine Zigarette mit den anderen Küchenkollegen, bevor das Chaos des Abendservice beginnt. Es war Montagabend und es standen nur 45 Reservierungen auf der Liste. Das heißt, dass man zwischendurch vielleicht noch einmal an einer Zigarette ziehen kann, bevor die Nacht vorbei ist.

Für Margaro war das Nikotin keine Sucht, sondern eine Gelegenheit raus aus der heißen, stickigen Küche zu kommen. Jede Ausrede um das zu erreichen, war eine gute Ausrede.

Die Nacht lief sehr locker ab. Die Kellner haben die Teller von den Essensresten gereinigt, bevor sie sie gestapelt haben. Die Kellner haben auch alle Messer und Gabeln in heißes Wasser eingelegt und dabei Seifenwasser auf den bereits nassen Boden gespritzt. Köche sind um Margaro herumgelaufen und haben ihre restlichen Hot Sauté Pfannen in das anliegende Spülbecken geschmissen.

Bis er sich um diese kümmern kann, haben sie bereits in ihrem Wasserbad ihre Hitze verloren. „Kommt schon Leute, schneller!“ hallt es durch die Küche. Das ist das letzte Mal an diesem Abend an dem Margaro diese Worte hört. Nach 57 Tischen und einer frühen letzten Bestellung war der Abend vorbei.

Musik schallt durch die Küche und zeigt die euphorische Stimmung des Küchenteams, welches bereit ist, den Laden zuzusperren. Lebensmittel werden wieder in ihre Behälter gepackt und eingekühlt. Übriggebliebene Saucen und Beilagen werden in kleinere, handlichere Behälter gepackt. Das letzte Geschirr kommt zur Spüle, darunter ein paar schmutzige Messer. Der letzte Stapel von sauberen Tellern wird direkt neben der Ausgabestelle positioniert — bereit für den nächsten Tag.

Nach ein paar weiteren Ladungen, fängt Margaro an seine Maschine zu säubern. Danach nimmt er sich einen Mopp und befreit die Küchenfließen von dem angesammelten Schmutz. So ist das Leben einer Restaurantküche. Jeden Tag von sauber zu schmutzig und wieder zurück.

Nachdem er sicher ist, dass sämtliches Geschirr sauber ist, schaltet er die Spülmaschine aus, wie auch die Musik und das Licht. Am Computer trägt er seine Arbeitszeit ein, wirft danach seine schmutzige Küchenschürze in den Wäschekorb, sammelt seine persönlichen Sachen ein und geht aus der Küche hinaus in den Speisesaal. Den Ort des Restaurants, zu dem er eigentlich nicht gehört.

Ein Stück Zuhause

Die Leute vom Service- und Küchenteam sitzen noch dort und nippen an einem Bier. Er nickt seinen Kollegen noch kurz zu und verlässt das Restaurant, damit er es noch mit dem letzten Zug nach Hause schafft. Sein weißes T-Shirt ist sauber, mit Ausnahme der Stellen, die nicht von der Schürze abgedeckt wurden. Margaros schwarze Hosen sind voll mit Flecken rund um seine Knöchel. Seine Socken sind bis zu seinen Zehen völlig durchnässt und seine abgetretenen Füße schmerzen ihn.

Nachdem die Metro bei den letzten drei Haltestellen durchgesaust ist, macht sich Margaro bereit für den letzten Weg an diesem Abend. Der Weg in seine 1-Zimmer Wohnung einen halben Kilometer entfernt von der Endstation. Auf diesem letzten Spaziergang zieht er an einer Zigarette, lässt sich den vergangenen, harten Arbeitstag nochmals durch den Kopf gehen und denkt an seine Familie, die weit, weit weg von ihm ist.

Seine vier Kinder und seine Frau leben in Mexiko und die Opfer, die er für sie bringt sind schwer vorzustellen. Er arbeitet sechs Tage pro Woche. Sechs harte Tage, die genug Geld abwerfen, um seiner Frau und seinen Kindern ein halbwegs luxuriöses Leben in Mexiko zu ermöglichen. Ein Leben, das er niemals kannte und vielleicht auch niemals kennen wird.

Er geht in seine einsame, karge Wohnung und dreht die Musik auf. Dieselbe Musik, die er auch Zuhause in Mexiko hört. Danach holt er ein Tecate (mexikanisches Bier) aus dem Kühlschrank und geht hinaus auf seinen winzigen Balkon. Die Musik schallt nach außen und für eine Sekunde fühlt er sich ein bisschen wie Zuhause und entspannt sich für ein paar Sekunden. Er trinkt das erste Bier sehr schnell und schnappt sich eine Handvoll Chicharrónes (gebratene salzige Schweinehaut), welche er gerade zuvor zubereitet hat.

Ich weiß, dass er es genießt, wenn das Aroma des gebratenen Schweinefleischs noch in der Luft hängt, während er an die Nächte Zuhause denkt, an denen er dasselbe Gericht zubereitet hat. Es ist wahrscheinlich unvorstellbar, wie extrem er seine Familie in diesen Momenten vermisst. Ich kann mir kaum vorstellen, wie hart es ist, ein solch selbstloses Leben zu führen, nur für sie.

Ich hoffe du bist glücklich!

Die meisten Abende kommt er zu spät zurück von der Arbeit, um Zuhause noch anzurufen, da seine Kinder und seine Frau schon lange im Bett liegen. Sie leben ihr eigenes Leben ein paar tausend Kilometer entfernt. Nachdem er jetzt bereits vier Jahre in den USA lebt fragt er sich, wie lange er wohl noch hierbleiben wird? Wann wird er wohl wieder zu seiner Familie zurückkehren können? Nach meiner Erfahrung wird er bestimmt noch weitere vier bis fünf Jahre hier arbeiten. Wenn er dann zurückkehrt, werden ihn seine Kinder kaum erkennen und das Leben ohne ihn kommt ihnen normal vor.

Margaro leert auch noch das letzte Bier seines Sixpacks, welches er sich wahrlich verdient hat. Danach geht er zu seinem Bett und fällt hinein, ohne die Musik leiser zu drehen, die bis in die Morgenstunden weiter durch die Wohnung schallt. Er wird in ein paar kurze Stunden wieder aufwachen und alles nochmal erleben. Er wird sich duschen, anziehen und ein paar weitere Chicharrónes für den Weg mitnehmen. Im Restaurant warten bereits die nächsten Teller und Schüsseln auf ihn.

Margaro – egal, wo du gerade bist, ich hoffe du bist glücklich, dass du wieder mit deiner Familie vereint bist und sie wissen, welche Opfer du für sie erbracht hast.

Cuidate, amigo

Chris Hill

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Originaltext von Chris Hill: Originaltext

 

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